I. Bueno (Hg.): Pope Benedict XII (1334–1342)

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Titel
Pope Benedict XII (1334–1342). The Guardian of Orthodoxy


Herausgeber
Bueno, Irene
Reihe
Church, Faith and Culture in the Medieval West
Erschienen
Amsterdam 2018: Amsterdam University Press
Anzahl Seiten
277 S.
von
Georg Modestin, Fachschaft Geschichte, Kantonsschule Freudenberg (Zürich)

Benedikt XII. zählt zu den weniger bekannten Päpsten des späteren Mittelalters. Dieser Umstand steht in einem auffallenden Gegensatz zum Forschungsinteresse, das Benedikt vor seiner Papstwahl weckt. Benedikt XII. ist nämlich kein anderer als Jacques Fournier, der sich während seines Episkopats in der okzitanischen Diözese Pamiers (1317–1326) einen Namen als Inquisitor gemacht hat. Der vorliegende Sammelband hat sich nun zum Ziel gesetzt, das vorhandene Wissen zu Jacques Fournier/Benedikt XII. zu bündeln und Letzterem eine grössere Tribüne zu bieten. Herausgegeben hat ihn die Benedikt-Spezialistin Irene Bueno, die 2015 mit einer lesenswerten Monographie zum bislang weitgehend vernachlässigten Theologen Fournier/Benedikt hervorgetreten ist (vgl. unsere Besprechung in SZRKG, 111 [2017], 417–418). Auf die Einleitung, in welcher die Herausgeberin Fournier als «raffinierten Theologen» charakterisiert, der Johannes XXII., seinen ungleich bekannteren Vorgänger auf dem avignonesischen Papstthron, in sensiblen theologischen Fragen beriet (15), folgen neun Beiträge, von denen die zwei ersten den Inquisitor und Theologen Fournier beleuchten, während sich die sieben weiteren Papst Benedikt XII. zuwenden.
Elizabeth Sherman macht den Anfang, indem sie sich nochmals über den in der Forschung bereits diskutierten ganz spezifischen Ansatz des Inquisitors Fournier beugt. Anders als bisherige Kommentatoren, die das Interesse, das der Bischof von Pamiers der individuellen Glaubenswelt der von ihm Verhörten entgegenbrachte, seinen ureigenen Interessen zugeschrieben haben, bezieht sich Sherman auf die Zeitumstände der Verhöre: Da im zweiten und dritten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts kaum noch katharische perfecti auf freiem Fuss gewesen seien, hätten die bis dahin üblichen standardisierten Fragen nach dem Umgang mit ihnen keinen Sinn ergeben. Folglich habe sich Fournier der Innenwelt der sich vor ihm verantwortenden «einfachen» Katharer-Sympathisanten zugewandt. Im Beitrag von Sylvain Piron, der in der französischen Originalfassung bereits 2008 erschienen ist, geht es um den Theologen Fournier, genauer: um ein Fragment einer anonymen Stellungnahme (avis bzw. advice) aus dem Jahr 1325 zu Petrus Johanns Olivis Apokalypsenkommentar, das Piron mittels einer scharfsinnigen Beweisführung mit einem verschollenen Traktat Fourniers identifiziert.
Christian Trottmanns befasst sich mit der ersten «Baustelle», die der frisch zum Papst gewählte Benedikt von seinem Vorgänger Johannes XXII. übernehmen musste, nämlich die Polemik um Johannes’ heftig bekämpfte Ansichten zur visio beatifica, d.h. zum Zeitpunkt, zu dem die Glückseligen das Antlitz Gottes sehen. Johannes hatte diesen Moment bis zum Tag des Jüngsten Gerichts «zurückdatiert» und damit heftigen Widerstand hervorgerufen. Benedikt beendete die Kontroverse im vorjohannitischen Sinn, wobei er als privater Theologe eine gleichsam mystisch gefärbte und damit originellere Position entwickelte als die vergleichsweise spröde Lehrmeinung, die er in seiner Funktion als Papst publizierte. Ein weiteres Betätigungsfeld Benedikts war die Etablierung des Papsttums in Avignon. Diese äusserte sich, so die Ausführungen von Valérie Theis, in der Bautätigkeit am Papstpalast und in der verwaltungstechnischen Durchdringung des Comtat Venaissin. Um in Rom, wohin das Papsttum in absehbarer Zeit nicht zurückkehren würde, wenigstens symbolisch präsent zu sein, lancierte Benedikt ein architektonisches Bau- bzw. Renovierungsprogramm. In diesem Zusammenhang analysiert Claudia Bolgia eine Benedikt-Büste, die ihren Platz in der mittelalterlichen St.-Peters-Kirche hatte, vermutlich über dem Hauptportal im Kircheninneren. Jeder Besucher, der die Kirche betrat, wurde von einer Statue des Heiligen Peter auf der Aussenseite gesegnet, während die Benedikt-Statue all die segnete, welche die Kirche verliessen. Was Benedikts ItalienPolitik im Allgemeinen betrifft, so blickt Sylvain Parent zu Beginn seiner Analyse auf diejenige Johannes’ XXII. zurück, insbesondere auf die «Schikanierung» von Johannes’ als «Rebellen und Tyrannen» verschrienen Gegnern durch die Gerichte («judicial ‹harassment› of Italian opponents of all kinds», S. 169). Das Pontifikat Benedikts brachte eine gewisse Befriedung mit sich, da die Verhältnisse zwischen dem Papsttum und seinen Widersachern durch die Verleihung von päpstlichen Vikariaten an Letztere gewissermassen «regularisiert» wurden. Dabei merkt Parent aber an, dass dieser Prozess bereits unter Johannes XXII. eingesetzt hatte, so dass Benedikt eine sich bewährende Praxis eher weiterführte denn selbst entwickelte. Dies hielt Letzteren freilich nicht davon ab, seinerseits gegen «Tyrannen» vorzugehen.
Aussenpolitisch war Benedikt stark von den aufkommenden Spannungen zwischen England und Frankreich absorbiert. Barbara Bombi zeichnet ein detailliertes Bild der päpstlichen Vermittlungsbemühungen, die – letztlich erfolglos – darauf abzielten, einen offenen Krieg zu verhindern. Weniger Aufmerksamkeit widmete der Papst dem christlichen Osten, der seinerseits unter muslimischem Druck stand. Benedikt unterstütze zwar anfänglich die noch unter Johannes XXII. angedachten Kreuzzugspläne des französischen Königs Philipp VI., die jedoch, so Mike Carr, dem französisch-englischen Antagonismus zum Opfer fielen und vom Papst abgesagt wurden. Was die Hilfeersuchenden aus Byzanz betrifft, so verunmöglichten doktrinäre Gegensätze zwischen der Ost und der Westkirche eine Annäherung: «Benedict stated that Eastern prelates should be sent to the West for instruction, and not discussion, regardless of Byzantine problems with the Turks» (232). Diese Facette von Benedikts Politik wird im Beitrag der Herausgeberin weiter vertieft, in dem das Verhältnis des Papstes zu Byzanz, zum Königreich Armenien und zu den Mongolen vorgestellt wird. Im ersten Fall scheiterten die Verhandlungen an der Unvereinbarkeit der Prämissen. Für Benedikt war die Anerkennung des römischen Primats durch die byzantinische Kirche die Voraussetzung für Verhandlungen über die Ausrufung eines Kreuzzugs zur Unterstützung Ostroms, für die byzantinische Seite galt das genaue Gegenteil. Was die formell mit Rom unierte armenische Kirche betrifft, so war sie dem Papst in Bezug auf ihre Rechtgläubigkeit verdächtig, was politische Folgen hatte: «The more urgent the Armenians’ appeal for Western assistance became, the more demanding the Holy See became with respect to doctrinal orthodoxy» (252), was letztlich ein Nichteingreifen des Westens nach sich zog. In den Kontakten mit den Mongolen überwogen, von Benedikts Seite, die folgenlosen Aufrufe zur Bekehrung und Taufe.
Der aufschlussreiche Band thematisiert verschiedene Seiten von Jacques Fourniers bzw. Benedikts Wirken (wobei die von ihm als Papst vorangetriebenen Ordensreformen unbehandelt bleiben) und hilft so, den vor allem als Ketzer-Verhörer bekannten Bischof als Papst vertiefter kennenzulernen. Der Untertitel, «The Guardian of Orthodoxy», hätte ihm sicherlich geschmeichelt, auch wenn die angesprochene Wächterfunktion, aus der Rückschau betrachtet, zu einer nicht anders als rigide zu bezeichnenden «Ostpolitik» führte.

Zitierweise:
Modestin, Georg: Rezension zu: Bueno, Irene (Hg.): Pope Benedict XII (1334–1342). The Guardian of Orthodoxy (Church, Faith and Culture in the Medieval West), Amsterdam 2018. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 115, 2021, S. 428-430. Online: <https://doi.org/10.24894/2673-3641.00100>

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